Überzähne 1

Konstruktionsfehler können in der Regel teuer zu stehen kommen. Und die Beurteilung von Verlegefehlern ist im Nachhinein schwierig.

Herausforderung

Überzähne in Plattenbelägen

In einem zu erstellenden Bericht soll der bestellte Gutachter der BOKE NANO beurteilen, ob die ausgeführten keramischen Wandbeläge in den bezeichneten Räumen der gültigen Norm bzw. der allgemein gültigen Regel der Technik entsprechen. Besonderes Augenmerk soll der Gutachter auf die mit Streiflicht angestrahlten Wandflächen werden. Diese sind augenfällig mit überdurchschnittlich wahrnehmbaren Überzähnen versehen. Dabei soll geklärt werden, ob ein Zusammenhang zwischen den ausgewählten keramischen Feinsteinzeugplatten im Format 147x147x7 mm und des Wand/Deckenstreiflichts besteht.

Lösung

Dem Gutachter liegen nachfolgend aufgelistete Unterlagen zur Beurteilung des vorliegenden Falles vor:

  • Offerte des ausführenden Plattenlegers;
  • Werkvertrag zwischen der Gemeinde, Abteilung Bildung/Kultur;
  • Ausschreibungsdossier BKP s81.6 Boden- und Wandbeläge Plattenarbeiten;
  • Die Norm SIA 118 «Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten»;
  • SIA Norm 118/248, SN 507 248 «Allgemeine Bedingungen für Plattenarbeiten»;
  • SIA Norm 248, SN 567 248 «Plattenarbeiten – Beläge und Bekleidungen mit Keramik, Glas und Asphalt»;
  • Einschlägige Merkblätter des Fachverbandes CERUNIQ (vormals Schweizerischer Plattenverband SPV);
  • Publikationen in Fachzeitschriften zum Thema Streiflicht

6.1. Schlussfolgerungen des bestellten Gutachters
Die gültige und anzuwendende SIA Norm 248, Art. 6.3.3 sagt aus:
„Optisch beurteilt werden keramische Beläge bei natürlichem Tageslicht oder bei der Endbeleuchtung. Dabei werden Bodenbeläge im Stehen, Wandbeläge aus einer Distanz von 1,0 m beurteilt. Künstliches und natürliches Streiflicht ist kein Bewertungskriterium.».

Aus Sicht des Bestellers beurteilt dieser optisch normgerecht bei Endbeleuchtung. Das optische Erscheinungsbild ist für ihn erheblich störend und will in dieser Form nicht hingenommen werden. Dieses Verhalten ist grundsätzlich korrekt und nachvollziehbar.

Aus Sicht des beauftragten Plattenlegers darf eine optische Beurteilung weder im natürlichen (Fenster) noch im künstlichen Streiflicht beurteilt werden. Dieses Verhalten ist grundsätzlich ebenfalls korrekt und nachvollziehbar. Allerdings bestehen in den gerügten Wandflächen – vom Bauherrn werden nur die mit indirekter Beleuchtung belasteten Wände gerügt und sämtliche anderen Flächen aussen vorgelassen – in der Tat überdurchschnittlich viele Überzähne, welche sich ausserhalb der SIA Norm 248 befinden. Aus diesem Grund kann sich der Plattenleger an den Wandflächen mit den nachgewiesenen Überzähnen nicht aus seiner Verantwortung ziehen und steht diesbezüglich in der Pflicht.

Die Ebenheit der Oberflächen von den verlegten Feinsteinzeug Keramikfliesen sind nach Tabelle H.1 der DIN-Norm 14411 zu beurteilen.

Die Herstellungstoleranz muss bei der Überzahnbeurteilung gemäss SIA Norm 248, Art. 5.3.3.1 mitberücksichtigt werden.
Die Diagonale der 147x147 mm Keramikfliesen beträgt 205 mm. Die Oberflächenwölbung, die Kantenwölbung sowie die Windschiefe dürfen maximal 0,5 % betragen. Dies ergibt einen Wert von 1,03 mm. Da dieser Wert bereits über dem maximal zu tolerierenden Überzahn von 1,0 mm liegt, darf dies nach den allgemein gültigen Regeln der Technik nicht angewendet werden. Die Herstellerqualität beim verwendeten Produkt liegt bei unter 10% des Normwertes. Die Ebenheit der Feinsteinzeugfliese weist keine mit handelsüblichen Geräten messbaren Differenzen auf.

Deshalb liess BOKE NANO eine «gesuchte Aufrechnung» bei der Beurteilung nicht zu. Vergleiche: eine Feinsteinzeugfliese im Format 300x600 mm dürfte nach DIN-Norm 14411 bei einer Diagonale von 670,8 mm bei 0,5 % Toleranz eine seitliche Aufwölbung von 3,35 mm betragen (…); deshalb kann dieser Wert nicht angewendet werden. Die DIN-Norm 14411 war zu diesem Zeitpunkt aktuell in Revision!

Hätte das gelieferte Feinsteinzeug Produkt nicht den Anforderungen des Herstellers bzw. einer verlegbaren Toleranz entsprochen, so hätte es vom Plattenleger zurückgewiesen werden müssen. Folgender Handelsgrundsatz kann nicht umgestossen werden: «verlegte Ware ist akzeptierte Ware».

Im Wissen, dass eine indirekte Beleuchtung den keramischen Wandbelag ästhetisch inakzeptabel erscheinen lässt, hätte zum Zeitpunkt der Verlegearbeiten des Plattenlegers dieses «Endlicht» montiert und in Funktion sein sollen. Der Planung obliegt der Ausschreibungstext zum später daraus resultierenden Werkvertrag. In der SIA Norm 118/248, Art. 1.1.2.3, Abs. 8 ist festgehalten: «Die Ausschreibungsunterlagen müssen alle Informationen zum Bauvorhaben enthalten, die für ein Angebot erforderlich sind, wie zum Beispiel …»Arbeitsplatzbeleuchtung».

Die entstandenen optischen Mängel erwuchsen aus einer Verkettung unglücklicher Umstände. Dabei steht sowohl der Plattenleger als auch der Planer/Architekt in der Pflicht. Grundsätze nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik wurden missachtet. Die verschiedenen Ansätze zur Lösung der anstehenden Probleme wurden aufgelistet.

Impressionen

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